Veröffentlicht am: 13/01/2021   von Barbara Schneider

Alles Rund ums Fleisch – Selbstversuch Kuhschlachtung

Es ist Donnerstag, kurz nach 6 Uhr. Gefühlt viel zu früh für meinen natürlichen Biorhythmus. Nach einer schlaflosen Nacht frage ich mich erneut, warum ich mir das eigentlich antue. Trotzdem mache ich mich in der Dunkelheit des Winters auf den Weg nach Wittnau – einem Dorf südlich von Freiburg. Ich fahre zu Michael Schmidt – dem Cowfunding-Metzger unseres Vertrauens. Ich will mich der persönlichen Herausforderung stellen und bei der Schlachtung eines Rindes dabei sein.

Es schneit. Mir wird kurz ein wenig seltsam zumute, als wir uns Wittnau-Biezighofen, der Wirkungsstätte unseres Metzgers – nähern. Als ich dort ankomme ist beim Metzger Schmidt der Arbeitsalltag bereits voll im Gange. Ich habe noch nicht einmal gefrühstückt und hier hängt schon das erste Rind am Haken. Puh, Glück gehabt denke ich im ersten Moment – da hab ich den Bolzenschuss wohl verpasst. Meine Erleichterung wird aber direkt von einem Gefühl von Enttäuschung abgelöst. Ich wollte doch mutig sein und wirklich alles(!) sehen.

Schon steht der nächste Landwirt vor dem Tor. Also kann ich mich nicht mehr aus der Affäre ziehen. Es ist einer unserer Cowfunding Landwirte. Andreas Steiert aus Kappel bringt heute Beatrix, eine hübsche Vorderwälder Kuh, die ihr bisheriges Leben auf den Weiden bis auf 1000m Höhe des Schauinslands verbringen durfte. Aber heute ist sie dran. Ich frage Andreas, wie es sich für ihn als Landwirt anfühlt, in aller Frühe sein Rind zu verladen, wissend was ihr bevorsteht. Bei Kühen, die er lange Jahre gepflegt habe, fällt es ihm schwererer als bei den jüngeren Tieren. Michael bestätigt mir, dass er schon oft Zeuge davon gewesen sei, wie gestandene Landwirte bei der Schlachtung einer alten Kuh schwach und die Augen wässrig wurden. Nicht so heute. Andreas ist froh, dass er in Michael einen Metzger gefunden hat, dem er auf kurzem Weg das Rind bringen und das Tier direkt vom Anhänger in den Schlachtraum verladen kann. Innerhalb kürzester Zeit wird es mit einem Bolzenschuss betäubt und sofort ausgeblutet, ausgenommen und zerlegt. Als Landwirt sei es beruhigend zu wissen, dass sein Rind keinen unnötigen Strapazen und Quälereien ausgesetzt wird. Auch für uns Konsument:innen von Vorteil, denn Stress beim Tier wirkt sich nachweislich negativ auf die Qualität des Fleisches aus.

Die Schlachtung

Aber nun nochmal zurück zu meinen Eindrücken. Ich habe zwar schon immer Fleisch gegessen, aber war noch nie dabei, als ein Tier geschlachtet wurde. Ich hatte Schiss. Angst, dass ich das nicht verkrafte, dass mir schlecht wird, dass ich umkippe, dass ich danach meinen Job kündige. Nichts davon ist eingetroffen. Im Gegenteil.

Ja, mir wurde mulmig, als das lebende Tier vor mir stand, mich mit große braunen Augen anschaut – und der Metzger den Bolzen ansetzt. Ein kurzer dumpfer Stoß und das Rind sackt in sich zusammen. Da liegt es nun. Knappe 500 kg. Betäubt, aber noch nicht tot. Die Augen sind offen. Ich frage Michael, warum man es nicht sofort tötet. Seine Erklärung ist einfach. Ein tötender Schuss müsste so präzise angesetzt werden, dass die Wahrscheinlichkeit das Tier nur zu verletzen – aber nicht zu töten – sehr hoch ist. Mit dem Bolzen ist das Rind definitiv betäubt. Das sofortige Ausbluten sorgt dann für den letzten Schritt. Gewöhnungsbedürftig zu beobachten, wie das bereits geköpfte Tier noch zuckt. Die Muskeln kontrahieren und es scheint wie ein letzter Versuch, ins Leben zurück gelangen zu wollen. Selbst nach dem Häuten sieht man den ein oder anderen Muskel noch in Bewegung. “Das ist normal”, sagt Michael. Ich finde es trotzdem komisch. Sachgemäß und professionell arbeiten die beiden Metzger an dem Tier. Mit scharfen Messern und motorisierter Säge dauert dieser Vorgang keine halbe Stunde. Das Tier dampft noch von der vorhandenen Körperwärme und trotzdem beginnt es so langsam nach dem auszusehen, wo fleischverzehrenden Menschen der Mund wässrig wird.

Interessant ist dann nochmal der Moment, als die Innereien und die vielen Mägen der Kuh herausgeschnitten werden. Eine überraschend große Menge Pansen, unverdautes Futter, Fett und für mich undefinierbaren Innereien. Am Euter läuft die restliche Milch aus. Anatomisch gesehen hoch interessant. Es entsteht relativ wenig Schlachtabfall. Was verwertet werden kann, wird verwertet. Am Ende wird das Tier in zwei Teile gesägt und abgewogen. Das ist nun das sogenannten Warm-Schlachtgewicht, mit dem wir bei Cowfunding arbeiten und unsere Paketanzahl festlegen können.

Ein kurzer Blick um die Ecke gewährt mir Einblicke in die Herstellung von Würsten. Schmidt Senior, im Dorf als der “Schmidt Franz” bekannt, ist noch selbst im Betrieb in der Produktion tätig. Man sieht ihm an, dass er diesem Handwerk schon ein Leben lang nachgeht und jede Bewegung in Perfektion sitzt. Zum Abschied bekomme ich ein paar warme Wienerle vom Schmidt Franz in die Hand gedrückt.

Und dann kam schon der nächste Hänger – diesmal mit Schafen.

Die Moral

Das klingt nun alles zu sehr nach heiler Welt? Ja, das ist es, sofern man sich für den Verzehr von Fleisch entschieden hat. Ich bin um diese Erfahrung sehr froh, denn dieser Teil gehört nunmal zum Fleisch essen dazu. Mein relativ geringer Konsum von Fleisch wird sich durch diese Erfahrung nicht verändern – aber meine bereits sehr hohe Wertschätzung gegenüber dem Tier ist heute noch einmal auf ein weiteres Level gestiegen.

Zudem bewundere ich Menschen wie Michael, die sich diesen Beruf zur Lebensaufgabe gemacht haben und das Wohl der Tiere in den Vordergrund stellen. Die Landwirte bestätigen meinen Eindruck. Und noch mehr manifestiert sich meine Einstellung, wie wichtig es ist, Betriebe wie die von Metzgern wie Michael zu fairen Konditionen und durch den eigenen Einkauf zu unterstützen. Nur so können die Landwirt:innen ihre Tiere mit gutem Gewissen zum Schlachten bringen und wir Verbraucher:innen mit unserem bewussten Einkauf dazu beitragen, dass große, fließbandarbeitende Riesenberiebe sehr bald der Vergangenheit angehören. Und ganz ehrlich – ich möchte nie wieder Fleisch aus solch einem Großbetrieb essen müssen.

Fazit: Für mich kommen nur noch Produkte aus kleinen Schlachtbetrieben und dafür wenig aber qualitativ hochwertiger Fleischverzehr in Frage.